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Transgeschlechtliche Partnerschaften: Neue Modelle und Aspekte

Trans- und gleichgeschlechtliche Partnerschaften ­werden offener ausgelebt als noch vor 20 Jahren, und in unseren Sprechstunden werden wir damit auch öfter mit der Thematik der Sexualität und Fertilität konfrontiert. Welche Möglichkeiten gibt es, welche Aspekte müssen berücksichtigt werden, und wie können wir beraten?

Ausgehend von einer Prävalenz von etwa fünf Transpersonen auf 100 000 Einwohner und Einwohnerinnen kann mit ungefähr 350 Transpersonen in der Schweiz gerechnet werden.

Beziehung, Partnerschaft, Umfeld und Sexualität transsexueller Menschen werden in der Forschung bisher kaum und in den Standards zur Begleitung und Behandlung transidenter Menschen wenig berücksichtigt. Es ist davon auszugehen, dass diese Faktoren einen entscheidenden Einfluss auf das Wohlbefinden transsexueller Menschen haben und einen positiven Therapieverlauf einer Behandlung erheblich mitprägen. Im Zentrum des bisherigen Forschungsinteresses stehen die transsexuellen Menschen selbst. Die Sicht der Partner und Partnerinnen transidenter Menschen findet ­selten Erwähnung und Eingang in Untersuchungen.

Weitgehende Einigkeit besteht über die Annahme eines Zusammenspiels von somatisch-biologischen, psychischen und sozialen Faktoren in der Genese von Transsexualismus. Biologische Erklärungsansätze gehen unter anderem von einem Sexualhormonungleichgewicht und dessen Wirkung auf das Gehirn aus, das heisst von einer prä- respektive perinatalen Androgenisierung (FtM-TS) des Gehirns. Daneben werden genetische Einflüsse oder auch die Geburten- und Geschwisterreihe diskutiert.

Die regelmäßige Verabreichung von Testosteron kann die Reduzierung der Anzahl der ovariellen Follikel und eine Veränderung von deren Aussehen und Funktionsweise induzieren, was die reproduktiven Möglichkeiten verringert. Obwohl es Nachweise dafür gibt, dass es möglich ist, Eizellen nach Absetzung der Hormontherapie wiederzuerlangen, ist es ratsam, sich um die Erhaltung der Fruchtbarkeit vor einer solchen Therapie zu kümmern, da keine Sicherheiten bestehen, welche Dosis und welcher Anwendungszeitraum bei einer exogenen Hormontherapie sicher sind.

Andererseits ist es offensichtlich, dass die operative Entfernung beider Eierstöcke (bilaterale Oophorektomie) oder der Gebärmutter (Hysterektomie) zu einer Situation führen würden, bei der eine genetische Mutterschaft in Zukunft nicht mehr möglich ist (Notwendigkeit der Spende von Eizellen, die von der Partnerin stammen könnten) und/oder die Möglichkeit einer Schwangerschaft ausgeschlossen ist.

Bei postpubertären Frauen bieten sich folgende Optionen:

Bei Transmännern müsste die Transition und Testosterongabe für die Zeit der Eizellgewinnung sistiert werden.

Vitrifizierung von Eizellen

Die Vitrifizierung (ultraschnelles Einfrieren) von Eizellen ist heute eine mehr als konsolidierte Technik, die praktisch keine Unterschiede zu frischen Eizellen aufweist.

Um Eizellen einfrieren zu können, ist es notwendig, sich einer ovariellen Stimulation zu unterziehen. Dies ist ein medizinischer Prozess, bei dem wir im Lauf von 9–12 Tagen Gonadotropine injezieren, die es uns ermöglichen, die natürliche Funktionsweise des Körpers zu verbessern, da hierdurch statt einer einzigen Eizelle mehrere zur Verfügung stehen. Alle geeigneten Eizellen werden kryokonserviert.

Es gibt spezielle Stimulationsprotokolle in diesen ­Fällen, die den Anstieg der Östrogene im Blut minimieren, wodurch die zunehmende Feminisierung, die oft schwer zu ertragen ist, minimiert werden kann.

Falls zuvor eine Behandlung mit Androgenen einge­leitet wurde, ist es empfehlenswert, sie drei bis sechs Monate vorher auszusetzen.

Einen Schritt weiter als die oben aufgeführten Verfahren geht die Vitrifizierung der Embryonen. Sobald die Eizellen wiedergewonnen wurden, werden die reifen Eizellen dabei mit einer Samenprobe befruchtet, entweder von dem Partner, falls er männlich ist, oder von einem Spender. Danach werden die Embryonen im Labor kultiviert, bis sie nach 5–6 Tagen die Phase des Blastozysten erreichen und schon ihre Fähigkeit nachgewiesen haben, zu einer Schwangerschaft zu führen.

Eventuell könnten diese Embryonen bei transidenten Männern mit Gebärmutter oder bei der Partnerin implantiert werden, falls sie eine Cis-Frau ist.

Einfrieren von ovariellem Gewebe

Diese Technik kann sowohl vor der Hormontherapie als auch während der geschlechtsangleichenden Chirurgie durchgeführt werden: kleine Keile des ovariellen Gewebes werden hierbei eingefroren. Zu einem späteren Zeitpunkt kann man dann versuchen, sie neu zu implantieren und eine natürliche Schwangerschaft mit oder ohne ovarielle Stimulation zu erreichen und/oder reife Eizellen im Labor zu kultivieren.

Trans-Frauen

Die Verwendung von Antiandrogenen und einer zusätzlichen Therapie mit Östrogenen hat negative Auswirkungen auf die Funktion der Hoden und deren Morphologie. Die Therapie kann die Spermienqualität negativ beeinflussen. Auch wenn diese Effekte wohl reversibel sind, ist eine Spermienasservation vor Hormontherapie empfohlen.

Einfrieren von Spermien

Das Einfrieren von Spermien ist eine einfache Methode, mit der Geschlechtszellen bei Patienten erhalten werden können, die schon in der Pubertät sind. Sie besteht im Einfrieren des Sperma-Ejakulats, das durch Masturbation oder durch Elektrostimulation gewonnen wird. Dies ist eine konsolidierte Technik, die gute Möglichkeiten für spätere Befruchtungen bietet.

Hoden-Feinnadelpunktion

Die chirurgische Wiedergewinnung der Spermien und das Einfrieren ist eine Möglichkeit bei post-pubertären Patienten.

Hodenbiopsie

Eine Hodenbiopsie oder Asservation von Hoden­gewebe kann während der geschlechtsangleichenden Chirurgie vorgenommen werden. Bei post-pubertären Patienten ermöglicht sie die Wiedergewinnung von ­reifen Spermien.

Vitrifizierung von Embryonen

Die Eizellen könnten in diesem Fall von der Partnerin oder von einer Spenderin stammen. Bezüglich einer eventuellen Schwangerschaft gäbe es, falls der Partner ein Cisgender-Mann ist, zwei mögliche Optionen: entweder die Leihmutterschaft, die derzeit in der Schweiz illegal ist, oder die Transplantation der Gebärmutter, derzeit eine experimentelle Technik, wenngleich sie bereits zu Geburten geführt hat.

Alle medizinischen Gesellschaften betrachten es als extrem wichtig, eine Erhaltung der Fruchtbarkeit zu besprechen, bevor irgendeine Art von Therapie zur Geschlechtsanpassung durchgeführt wird. In der Sprechstunde finde ich es wichtig, darauf hinzuweisen, dass man sich mit einer Asservation von Keimzellen alle Optionen für später offen hält und dass die Welt in 15–20 Jahren möglicherweise anders aussieht.

Obwohl die Techniken für Erhaltung der Fruchtbarkeit die Geschlechtsdysphorie verstärken können, zeigen die veröffentlichten Studien eine große Toleranz dieser Techniken und eine hohe Personenzufriedenheit mit dem Prozess zur Erhaltung der Fruchtbarkeit.

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